Wie Hunde lernen – und wie sie nicht lernen können

Verknüpfungslernen
Hunde lernen, indem sie fast gleichzeitig (innerhalb einer Sekunde!) auftretende Ereignisse miteinander verknüpfen. Dabei verknüpfen sie sämtliche Sinnes-Eindrücke in der Situation mit: was sie hören, sehen, spüren, riechen,... und auch, wie sie sich in diesem Moment gerade fühlen. Darum ist es wichtig, dass sie eine positive Lernatmosphäre erleben und neu Erlerntes generalisieren können, d.h., herausfiltern dürfen, dass zum Beispiel ein Sicht- oder Hörsignal immer gleich bleibt (und somit relevant ist) und alle anderen Eindrücke sich immer wieder verändern. Das heisst, es braucht einige tausend (!) Wiederholungen an verschiedenen Orten mit verschiedenen Ablenkungsgraden, bis Gelerntes gut sitzt.

 

Lohnenswerte und nichtlohnenswerte Verhaltensweisen
Durch Verknüpfung lernen Hunde auch, dass eine bestimmte Reaktion ihres Menschen auf ein gezeigtes Verhalten folgt. Entweder gibt es eine angenehme Reaktion (Belohnung) auf ein erwünschtes Verhalten oder eine unangenehme Reaktion auf ein unerwünschtes Verhalten (Strafe). Auch keine Reaktion unsererseits kann beim Hund bewirken, dass er das gezeigteVerhalten als nicht lohnenswert einstuft und zukünftig nicht mehr zeigt. Wir können also beeinflussen, ob der Hund ein Verhalten als erfolgversprechend oder erfolglos einstuft. Wie ganz oben erwähnt, haben wir weniger als eine Sekunde Zeit für unsere Reaktion, damit unser Hund die Reaktion noch auf sein Verhalten bezieht.


Hunde leben in einer wert- und moralfreien Welt. Der Hund muss deshalb die Chance erhalten, zu lernen, welche Verhaltensweisen von uns erwünscht sind und welche nicht. Allzu oft gehen wir davon aus, dass unser Hund ja genau wisse, dass ein Verhalten unerwünscht sei. Dabei vergessen wir, dass der Hund auch solche Lernsequenzen wie oben beschrieben generalisieren muss.

 

Alternativverhalten statt ständige Strafe
Hunde haben Motivationen, die sich mit unseren nicht immer decken. Wir sollten die Motivation des Hundes auf ein lohnenswertes Verhalten umzulenken, anstatt ihn ständig für Verhaltensweisen zu bestrafen, die für Hunde erstrebenswert sind, uns aber stören. Einerseits bleibt die Motivation des Hundes bestehen (er will zum anderen Hund, ein Reh jagen, etwas vom Boden fressen,...), andererseits ist aufhören und ruhig sein allein in der Aufregung oft keine Alternative. Besser, der Hund hat ein lohnenswertes Verhalten lernen dürfen (Sitz, Blickkontakt, auf seinen Platz gehen,...), das er in diesem Moment zeigen kann. Dieses Alternativverhalten wird ja erfahrungsgemäß belohnt und kann nicht gleichzeitig mit dem unerwünschten Verhalten gezeigt werden (an der Leinezerren, Besuch verbellen,...).

  

Strafe – Stress –Lernblockade
lernen verursacht immer Stress. Die beim Lernen mitverknüpften Emotionen werden im Gedächtnis abgespeichert und beeinflussen zukünftiges Lernen. Starker Stress verunmöglicht das Lernen sogar komplett. Der Hund ist nach einer Strafe durch den Stress hormonell in einem erhöhten Aktivitätslevel, was die Reizschwelle heruntersetzt und den Hund schneller auf alle Reize reagieren lässt. Er istnervöser und zeigt evt. noch mehr unerwünschtes Verhalten: ein echter Teufelskreis. Zudem stört die Erziehung mit Strafen das Vertrauen und die Bindung zum Hundehalter nachhaltig. Der Hund lernt aus Angst vor Strafe lieber gar nichts mehr zu tun, um der Strafe zu entgehen (Meideverhalten).

Unser Verhältnis zum Hund ist von Stress, Schmerz und Angst geprägt statt von Freude und Vertrauen. Nur weil in der menschlichen Gesellschaft der Umgang geprägt ist von Verboten, Strafen und Gesetzen, heisst das ja nicht, dass dies generell der richtige Umgang ist. Und weil etwas zu funktionieren scheint, legitimiert dies die Methode noch lange nicht, vor allem dann, wenn es andere, nettere Methoden gibt.

 

Strafe –Rahmenbedingungen
Damit Strafe lernbiologisch korrekt angewandt werden kann, müssen folgende Bedingungen eingehalten werden:

    1. Die Strafe muss so stark sein, dass das Verhalten auf der Stelle unterbrochen wird, aber nicht so stark, dass der Hund zusammenfällt.
    2. Die Strafe muss sofort (innerhalb einer Sekunde) erfolgen, dass sie mit dem unerwünschten Verhalten verknüpft wird.
    3. Die Strafe muss mit dem unerwünschten Verhalten verknüpft werden (nicht mit dem Halter, dem anderen Hund oder einem anderen anwesenden Reiz).
    4. Das unerwünschte Verhalten muss jedes Mal bestraft werden.

Es ist faktisch unmöglich, auch nur einen der oben angesprochenen Punkte garantiert immer richtig zu befolgen!

 

Beispiel Leinenruck
Gerade der Leinenruck hat seine Tücken. Als Strafe fürs Leinenzerren eingesetzt, bewirkt er kurzfristig, dass der Hund aufhört zu zerren (scheinbar schneller zumindest, als wenn man mit positiven Methoden lernbiologisch korrekt dem Hund lehrt, dass schönes Leinenlaufen sich lohnt). Leinenruck hat aber folgende Nebenwirkungen, vor allem, wenn er (wie in den meisten Fällen) nicht korrekt angewandt wird (siehe oben, Bedingungen für Strafe):

 

- Schmerz: Blutbahnen zum Hirn, Luftröhre, Kehlkopf, Schilddrüse und Bandscheiben können verletzt oder beeinträchtigt werden.

 

- Angst: grosse Gefahr der Verknüpfung mit dem Besitzer, anderen Hunden,...

 

- Atemnot: Versuch, dem Strafreiz zu entfliehen (und somit noch mehr zu ziehen)

 

- Angst wird durch Strafe bestärkt (noch stärkere Leinenaggression)

 

- Folter: der Mensch befriedigt seine sadistische Ader

 

- Erlernte Hilflosigkeit: lieber nichts mehr machen als etwas, das eh bestraft wird

 

- Stress: erhöhtes Stresslevel lässt Reaktionsschwelle für Aggression sinken (bei Mensch und Hund)

 

- Stress: verursacht eine erhöhte Erregungslage und blockiert das Lernen

 

- Falscher Moment: kurz vor dem Leinenruck wird die Leine kurz locker gelassen (erwünschtes Verhalten!), um Schwung zu holen für den Ruck.

 

 

 

 

Autorin Sibylle Aschwanden
Verhaltensbiologin und Hundetrainerin Certodog

http://www.focus-canis.ch/
lernbiologisches Hundetraining!

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